Sanft legte ich meine Hand auf die Schulter meines Vaters, der vor mir auf dem Boden kniete. Sein Schluchzen brach mir beinahe das Herz.
"Dad", setzte ich leise an. "Ich weiß..." meine Stimme versagte.Vorsichtig kniete ich mich neben ihm nieder und räusperte mich. "Ich weiß, dass da noch andere sind." Diesen Satz musste ich mir die letzten Wochen regelrecht einbläuen. Alle Menschen, die wir liebten, waren tot. Die Straßen waren leer und in den Häusern herrschte Totenstille. Dieser Ort hatte sich in eine Geisterstadt vewandelt. Ich wusste, dass es in dieser Umgebung nichts und niemanden mehr gab. Na ja, nichts ist vielleicht nicht ganz korrekt. Es gab tatsächlich etwas, das dem Virus zu trotzen schien; Dämonen, Engel, dieses ganze übernatürliche Pack, von deren Existenz ich bis vor einigen Monaten nicht einmal zu träumen wagte. Der Tod meiner Mutter schaffte mir schließlich bittere Gewissheit. Seitdem verbrachte ich die meiste Zeit mit dem Durchwälzen von uralten Büchern, Schriften und Testamenten. Ich würde alles dafür tun, um die letzte geliebte Person, die mir geblieben war, zu schützen. Pentagramme, Dämonenfallen und andere ominöse Zeichen zierten die Wände und Fußböden unseres Hauses.
"Akina, Liebes, ich bitte dich, geh nicht."
Ich schaute zu meinem Vater, während sich meine Augen mit Tränen füllten.
"Ich muss gehen, Vater. Es ist unsere einzige Chance.", antwortete ich ihm und versuchte dabei zu lächeln, was mir aber nicht besonders gut gelang. Ich spürte seine Sorge um mich jedoch wusste ich, dass ich keine andere Wahl hatte. Unser Vorrat an Nahrungsmitteln war begrenzt und ohne Hilfe würden wir nicht überleben. Vorsichtig griff ich nach einem Taschentuch und tupfte ihm die Tränen von der Wange. Ich drückte ihn so fest ich konnte und küsste ihn auf die Stirn. Als ich mich erhob und meinen Rucksack packte, griff er plötzlich nach meinen Arm. Er zitterte. "Ich will dich nicht auch noch verlieren. Du bist die Einzige, die mir geblieben ist." Seine Stimme klang ängstlich, fast schon flehend. Ich löste seinen Griff und hielt seine Hände fest umschlossen. "Ich verspreche dir, du wirst mich nicht verlieren." Ich schaute ihn mir ein letztes Mal an. Dabei merkte ich mir jedes Detail; die tiefen Falten, die seine Augenwinkel umspielten und die kleinen Grübchen, die sogar sichtbar waren, wenn er nicht lachte. Ich tat das, weil ich nicht wusste, ob ich ihn wiedersehen würde. Ich wusste nicht, ob ich mein Versprechen einhalten konnte. "Ich hab dich lieb.", flüsterte ich, bevor ich nach meinem Rucksack griff und ihn schließlich zurückließ.